Die Kaschauer Zeitung im Kontext der deutschsprachigen Presse in der Slowakei

13.02.2015 19:58

Die Kaschauer Zeitung im Kontext der deutschsprachigen Presse in der Slowakei

 

Jörg Meier

 

Die Anfänge des deutschen Zeitungswesens auf dem Gebiet der heutigen Slowakei liegen im Jahre 1764 in Preßburg/Bratislava. Als erste periodische Zeitung im Donauraum, die eine lange Lebensdauer haben sollte, erschien am 14. Juli 1764, auf Anregung des Preßburger Gelehrten, Stadthauptmanns und Bürgermeisters Karl Gottlieb Windisch (1725-1793), das erste „Stück“ der Preßburger Zeitung. Sie lief bald den Blättern in Ofen den Rang ab, war als einzige Zeitung dem starken Druck des Wiener Zeitungswesens gewachsen und steht, als führendes Periodikum der Region, allein mit ihrer bis August 1929 währenden Lebensdauer.

Bis zum Ausgleich im Jahre 1867 wurde zwar eine Reihe von Zeitungen neu gegründet, doch waren sie, mit Ausnahme einiger Provinzblätter – wie z.B. Zipser Anzeiger (seit 1863) – meist von nur geringer Lebensdauer (vgl. Meier 1993, bes. 160-174). Erst mit dem beginnenden Parlamentarismus nach 1867 und der damit verbundenen Steigerung des politischen Lebens in Ungarn, kam es auch zu einigen dauerhaften Zeitungsneugründungen. Der Preßburger Zeitung, die mehr als hundert Jahre die einzige politische deutschsprachige Tageszeitung in Preßburg/Bratislava geblieben war, erwuchs nun zum ersten Mal ernsthafte Konkurrenz durch den Westungarischen Grenzboten (1872-1945; seit 1918 Grenzbote). Ab 1896 kam das Preßburger Tagblatt (1896-1924) hinzu, und ab 1898 erschien, einmal wöchentlich, die Preßburger Presse (1898-1928).

Auch in anderen Regionen Oberungarns, mit Ausnahme der Kremnitz-Deutschprobener Sprachinsel, wurde ein Reihe von deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften gegründet, z.B. in Eperjes/Prešov der Oberungarischer Lloyd (1871-1873), Kaschau/Košice u.a. die Kaschauer Zeitung (1872-1914) und Pannonia (1872-1897), Neutra/Nitra u.a. die Neutraer Zeitung (1890-1903), die Neutra-Trenchiner Nachrichten, später Neutra-Trenchiner Zeitung (1869-1881) und Tyrnau/Trnava das Tirnauer Wochenblatt (1869-1880).

Zwischen 1764 und 1918 erschienen in ganz Ungarn 1.321 deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, davon 159 auf dem Gebiet der heutigen Slowakei (12%). Insgesamt wurden in Oberungarn 916 fremdsprachige Periodika verlegt, 717 ungarische (78,3%), 159 deutsche (17,4%) und 20 zweisprachige (2,2%). Von den 179 deutsch- und zweisprachigen Blättern, die in der Slowakei bis zum Jahre 1918 herausgegeben wurden, erschienen 121 in Preßburg/Bratislava, 23 Blätter in Kaschau/Košice, 13 in Neutra/Nitra, und der Rest verteilte sich auf die anderen Städte des Landes (vgl. ebd., 110, 451-468). In Zusammenarbeit mit Verlagen in Wien, Leipzig und Breslau/Wrocław wurden in Preßburg/Bratislava bis zum Jahre 1918 außerdem insgesamt 36 ausländische deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, überwiegend Fachblätter, Handels- und Gewerbeorgane, gedruckt (vgl. ebd., 157-159).

Alle diese Zeitungen und Zeitschriften ermöglichen einen Zugang zu heute wieder neu zu entdeckenden Kulturlandschaften, zu ehemals produktiven interkulturellen Allianzen und – im Hinblick auf Mittelosteuropa – zu Modellen mehrsprachigen, vielfach multiethnischen Formen des Zusammenlebens. Als Medien öffentlicher Meinungsbildung gewähren sie einen Einblick in die regionale Verarbeitung nationaler und internationaler Ereignisse und in verschiedenartige Teilausschnitte des gesellschaftlichen Lebens. Ihre wissenschaftliche Bearbeitung erfolgte jedoch bisher allenfalls punktuell und ließ kaum Rückschlüsse auf etwaige Ähnlichkeiten oder Unterschiede der Zeitungs- und Zeitschriftenproduktion in verschiedenen deutsch- und mehrsprachigen Regionen zu. Vergleichende Untersuchungen zur historischen Situation und u.U. unterschiedlichen Entwicklung in Europa gibt es bisher nicht.

Die Kaschauer Zeitung war eine der bedeutendsten deutschsprachigen Zeitungen auf dem Gebiet der heutigen Slowakei. Die Zeitung erschien zunächst von 1838-1871 als Kaschau-Eperieser Kundschafts-Blatt – Kassa-Eperjesi Értesitő und schließlich von 1872 bis 1914 unter dem Titel Kaschauer Zeitung. Kundschafts-Blatt für Kaschau und Eperies. Lokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirtschaft, Industrie und geselliges Leben, zunächst zweimal wöchentlich, ab 1875 schließlich dreimal wöchentlich. Herausgeber, Eigentümer und Drucker war für einige Jahrzehnte Carl Werfer (vgl. Meier 1993, 108f., 126f.).

Die Artikel erschienen meistens ohne Namen des Autors und waren bis zum Jahre 1914 fast ausschließlich in deutscher Sprache verfasst, wohingegen die Werbeanzeigen zu einem nicht unerheblichen Teil auch in ungarischer Sprache publiziert wurden.

Die deutsche Kultur wurde durch die Madyarisierung zunehmend von der ungarischen abgelöst, und in den meisten Städten erschienen an Stelle der deutschen immer mehr ungarische Zeitungen. Nur in Preßburg/Bratislava, Kaschau/Košice und in der Zips/Spiš hielten sich einige politisch-gesellschaftliche Periodika, wie die Preßburger Zeitung oder die Karpathen-Post, längere Zeit am Leben. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auch zweisprachige Zeitungen herausgegeben, anfangs noch vereinzelt, aber von den 70er Jahren angefangen immer häufiger. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden viele deutschsprachige Zeitungen in zweisprachige umgewandelt. In den Jahren zwischen 1900 und 1918 wurden die deutschsprachigen Zeitungen in Kaschau/Košice und auch in Leutschau/Levoča eingestellt, so dass, neben dem kulturellen Zentrum in Preßburg/Bratislava, nur die Karpathen-Post in Kesmark/Kežmarok, übrig blieb, die noch bis 1942 in deutscher Sprache erschien. Darüber hinaus gab es bis zum Jahr 1945 noch den Westungarischen Grenzboten (1872-1918, von 1918-1945 als Grenzbote), und die Deutschen Stimmen (1934-1945), als Organ der Karpatendeutschen Partei (KDP) bzw. der Deutschen Partei (DP). Die Zahl der zweisprachigen Zeitungen wurde bereits vor dem ersten Weltkrieg immer geringer, und nach dem Krieg verschwanden sie fast ganz. Mit dem Entstehen der Tschechoslowakischen Republik im Jahre 1918 kam für viele fremdsprachige Zeitungen und Zeitschriften das endgültige Aus.

 

Literaturhinweis

 

Meier, Jörg (1993): Untersuchungen zur deutschsprachigen Presse in der Slowakei. Sprache und Geschichte der Zeitung „Zipser Anzeiger/Zipser Bote“. Leutschau/Levoča.